GOTT INS ZENTRUM STELLEN Worte von Papst Benedikt XVI. an die Kirche in der Schweiz |
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Die
Priorität des Glaubens |
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Ursachen und Äußerungen der heutigen Glaubenskrise Zwei Eckpunkte: an Gott und «gemeinsam mit der Kirche» glauben Wie der Glaube neu entfacht werden kann Der Glaube ermöglicht es uns, die Größe der Liebe Gottes wahrzuneh-men Der Glaube muss missionarisch sein
Die Schweiz ist unter vielen Gesichtspunkten eines der reichsten, bestorganisierten, sichersten und zivilisiertesten Länder der Welt. Aber neben (oder in) diesem Wohlstand, den viele Leute unseres Landes genießen und für den wir nur dankbar sein können, existiert auch – im Herzen und im Leben der Menschen – eine ebenso verbreitete geistliche Armut. Es ist unübersehbar, dass der materielle Wohlstand aus sich allein das geistliche Wachstum nicht fördert. Ja, der Überfluss an materiellen Gütern kann sogar ein gewisses Desinteresse oder eine Stumpfheit gegenüber den geistigen Werten fördern, so als ob es im Grunde genommen Gott gar nicht mehr bräuchte. Benedikt XVI. ist unbestritten ein großer Experte in der Beurteilung der geistlichen Übel, welche den Westen, die Schweiz inbegriffen, erschüttern. In seinen Reden hat er sich jedoch nicht auf das Aufzeigen der Ungewissheiten, in denen sich auch die Kirche befindet, beschränkt, und noch weniger hat er ein Klagelied angestimmt. Im Wissen, dass an der Wurzel vieler Schwierigkeiten, Unfähigkeiten und Zusammen-brüche eine Krise des Glaubens steht, hat er uns vor allem wirksame Anregungen zur Stärkung oder Wiederbelebung unseres Glaubens gegeben und , mit Nachdruck dar-auf gepocht, Gott wieder in die Mitte zu stellen und neu zu entdecken, dass an ihn zu glauben bedeutet, «ihm gegenüber, auf ihn hin», «im Mitsein mit ihm und von ihm her» zu leben. Heute ist es in der Tat mehr denn je notwendig, dass «diese Zentralität Gottes (...) in all unserem Denken und Tun ganz neu erscheint» (Eröffnungsanspra-che). Schon in der Predigt erinnerte er daran, dass « der Glaube in der Tat die Priorität in dem ganzen Ringen dieser unserer Zeit haben muss». In einer Welt, in der «Gott ab-wesend ist» und der Glaube oft ersetzt wird «durch den Einsatz für die Menschen», sei es «wichtig, dass wir einfach wieder sehen: Der Glaube ist die Mitte des Ganzen», da es gerade der Glaube ist, der unserem Einsatz das notwendige «innere Licht und die Beseelung des Ganzen» gibt. Es ist somit von erstrangiger Wichtigkeit, unseren Glauben zu stärken und dafür besorgt zu sein, dass er «in seiner Fülle gegenwärtig» ist. Benedikt XVI. ist sicherlich auf dem Laufenden über die strukturellen und dis-ziplinären Probleme, mit denen sich die Kirche in der Schweiz seit einigen Jahrzehn-ten auseinandersetzt. In seinen Reden haben die Hinweise auf diese Probleme nicht gefehlt (z.B. auf das rechte Verständnis und die Feier der Liturgie). Er hat aber den Akzent auf ein anderes Thema gelegt, nämlich auf die Zentralität Gottes, die sich konkret in der Priorität des Glaubens und in der Wichtigkeit der persönlichen Bezie-hung mit Jesus im Gebet ausdrückt. Diese «Wahl» des Papstes ist gewiss nicht zufäl-lig, sondern ganz beabsichtigt und gründlich durchdacht, wie aus seinen drei Reden hervorgeht. Als Frucht seiner Sorge als guter Hirt ergibt dies für sich genommen eine Lehre, für die wir ihm nur dankbar sein können und die wir uns zunutze machen müssen. Bevor wir näher auf seine Kernaussage eingehen, dass der Glaube «das Zentrum von allem» sei, wollen wir nachzeichnen, wo er die hauptsächlichen Schwie-rigkeiten ortet, die sich heute diesem Ziel in den Weg stellen. Ursachen und Äußerungen der heutigen Glaubenskrise Nach Papst Benedikt leben wir in einer Welt, in der «Gott abwesend ist» und «der Glaube der Kirche wie etwas sehr Vergangenes» erscheint (Eröffnungsansprache). Der praktische Materialismus mache den Menschen schrittweise stumpf und unsen-sibel für das Göttliche und bringe ihn in große Schwierigkeiten, den Glauben zu ent-falten: «Wenn der Mensch ganz mit seiner eigenen Welt beschäftigt ist, mit den ma-teriellen Dingen, mit dem, was er tun und machen kann, mit allem Machbaren, das ihm Erfolg bringt, das er selber hervorbringen und in sich einbeziehen kann, dann verkümmert seine Empfindungsfähigkeit Gott gegenüber, das Organ für Gott ver-kümmert und er wird stumpf und unsensibel für ihn. Er spürt das Göttliche nicht mehr, weil das Organ dafür in ihm vertrocknet ist, sich nicht mehr entfaltet hat. Wenn er zu sehr all die anderen Organe gebraucht, die empirischen, dann kann es geschehen, dass eben der Sinn für Gott verflacht, dieses Organ abstirbt und der Men-sche, wie der heilige Gregor sagt, das Anschauen, das Angeschautwerden von Gott nicht mehr empfindet – dieses Kostbare, dass sein Blick mich trifft!» (Predigt). Wir werden später auf die Ratschläge des Papstes zu sprechen kommen, wie der Mensch dieses Organ neu zu schätzen. d. h. den Glauben neu zu entfachen vermag. Auf diese heute verbreitete «Unsensibilität» vieler Menschen dem Göttlichen gegen-über hat sich der Papst auch auf seiner späteren Pastoralreise nach Süddeutschland bezogen, konkret in der am 10. Oktober 2006 in München gehaltenen Predigt. Es lohnt sich, seinen Kommentar von Jesu Heilung eines Taubstummen in Erinnerung zu rufen: «Es gibt nicht nur die physische Gehörlosigkeit, die den Menschen weitge-hend vom sozialen Leben abschneidet. Es gibt eine Schwerhörigkeit Gott gegenüber, an der wir gerade in dieser Zeit leiden. Wir können ihn einfach nicht mehr hören – zu viele andere Frequenzen haben wir im Ohr. Was über ihn gesagt wird, erscheint vor-wissenschaftlich, nicht mehr in unsere Zeit hereinpassend. Mit der Schwerhörigkeit oder gar Taubheit Gott gegenüber verliert sich natürlich auch unsere Fähigkeit, mit ihm und zu ihm zu sprechen. Auf diese Weise aber fehlt uns eine entscheidende Wahrnehmung. Unsere inneren Sinne drohen abzusterben. Mit diesem Verlust an Wahrnehmung wird der Radius unserer Beziehung zur Wirklichkeit überhaupt dras-tisch und gefährlich eingeschränkt. Der Raum unseres Lebens wird in bedrohlicher Weise reduziert». Über die Schwierigkeit des Menschen von heute, eine persönliche Beziehung mit Gott zu unterhalten und dessen beständige Nähe wahrzunehmen, dachte Kardinal Ratzin-ger oft nach. Er sah, dass Gott für viele ein weit entfernter, ein abstrakter Gott ist. In diesem Sinne äußerte er sich zum Beispiel in der Zeitschrift «30 Giorni» vom Februar 1993: « Ich bin überzeugt, dass heute der Deismus – das heißt die Vorstellung, dass Gott wohl existieren mag, aber im Endeffekt nicht in unser Leben eintritt – nicht nur in der sogenannt säkularisierten Welt anzutreffen ist, sondern bis zu einem gewissen Ausmaß auch innerhalb der Kirche und in unserem Leben als Christen» (S. 76). Tat-sächlich neigt man heute vielfach zur Meinung, dass alles, was wir tun, ausschließlich unsere eigene Angelegenheit sei und für Gott, sollte er denn existieren, keine Bedeu-tung haben kann. Die Folge ist die Errichtung einer Welt, die mit der Realität Gottes nicht rechnet. So aber verliert der Mensch auch seine eigentliche Größe, seine Würde; alles wird manipulierbar und bringt jedwede Art moralischen Zerfalls mit sich. Es ist von daher nicht schwer zu verstehen, warum der Papst so sehr auf die Notwendigkeit der Neuentdeckung des Glaubens an den lebendigen Gott insistiert, der in Jesus Christus Fleisch angenommen hat. «Wenn wir unter den Augen Gottes leben und wenn Gott die Priorität unseres Lebens, unseres Denkens und unseres Zeugnisses ist, dann folgt alles andere nach» (ebd., S. 77). In seiner Eröffnungsansprache zum Ad-limina-Besuch hat Benedikt XVI. eine andere Schwierigkeit oder Bedrohung für den Glauben erwähnt. Wir können sie die Versu-chung nennen, den Glauben, der in erster Linie eine Verpflichtung gegenüber Gott ist, zu verkürzen oder gar zu ersetzen durch eine rein humanitäre Verpflichtung. In diesem Zuge «müht man sich, durch den Einsatz für die Menschen eben auch zugleich sozusagen seine Pflicht gegenüber Gott zu erfüllen. Das ist dann aber doch eine Art „Werkrechtfertigung“, die einsetzt: Der Mensch rechtfertigt sich und die Welt, in der er das tut, was offenkundig notwendig zu sein scheint, aber es fehlt das innere Licht und die Beseelung des Ganzen». Die Illusion einer «Rechtfertigung durch die Werke» ist der Irrtum, auf den Paulus in seinen Briefen wiederholt hinweist, in denen er das «Gesetz der Werke» und das «Gesetz des Glaubens» einander gegenüberstellt (vgl. z.B. Röm 3,27-28). Aber, so könnten wir uns fragen, warum sollen Glaube und Werke einander gegenübergestellt werden? In der Tat, der Glaube sollte sich in den Werken zeigen, denn Gott wird «je-dem nach seinen Werken vergelten» (Röm 2,7; vgl. auch Offb 20,13), denn ohne Werke ist der Glaube «tot» (Jak 2,26). Den «Werken», auf die sich der hl. Paulus und auch der Papst bezieht, fehlt das «innere Licht», sie sind nicht von der Liebe beseelt – Licht und Liebe, die uns von Gott gegeben sind und unseren Werken übernatürli-chen, heiligenden Wert verleihen. Der Glaube «beseelt die Aktivitäten, die sonst leicht in Aktivismus verfallen und leer werden können», stellte der Papst ferner fest. Und wenig später fügte er hinzu: «Wir sehen es ja auch heute ganz deutlich: Wo man nur Entwicklung vorangetrieben und der Seele nichts gegeben hat, wird die Entwicklung schädlich. Dann kann man zwar technisch mehr, aber daraus werden vor allem neue Möglichkeiten des Zerstörens. Wenn nicht mit der Entwicklungshilfe, mit dem Lernen all dessen, was der Mensch kann, was sein Verstand erdacht hat und was sein Wille ermöglicht, auch die Seele erleuchtet wird und die Kraft Gottes kommt, dann lernt man vor allem zerstören» (Eröffnungsansprache). Was die «Rechtfertigung durch die Werke» betrifft, so bringt die Gemeinsame Erklä-rung zur Rechtfertigungslehre des Lutherischen Weltbundes und der Katholischen Kirche vom 16. Juni 1998 eine Verdeutlichung: «Es ist unser gemeinsamer Glaube, dass die Rechtfertigung das Werk des dreieinigen Gottes ist. Der Vater hat seinen Sohn zum Heil der Sünder in die Welt gesandt. Die Menschwerdung, der Tod und die Auferstehung Christi sind Grund und Voraussetzung der Rechtfertigung. Daher be-deutet Rechtfertigung, dass Christus selbst unsere Gerechtigkeit ist, derer wir nach dem Willen des Vaters durch den Heiligen Geist teilhaftig werden. Gemeinsam be-kennen wir: Allein aus Gnade im Glauben an die Heilstat Christi, nicht auf Grund unseres Verdienstes, werden wir von Gott angenommen und empfangen den Heiligen Geist, der unsere Herzen erneuert und uns befähigt und aufruft zu guten Werken» (Nr. 15). Das gleiche Dokument präzisiert dann: «Wenn Katholiken sagen, dass der Mensch bei der Vorbereitung auf die Rechtfertigung und deren Annahme durch seine Zustimmung zu Gottes rechtfertigendem Handeln „„mitwirke““, , so sehen sie in solch personaler Zustimmung selbst eine Wirkung der Gnade und kein Tun des Menschen aus eigenen Kräften» (Nr. 20). Darüber hinaus wies der Papst auf eine weitere Gefahr hin, die den katholischen Glauben bedroht. Es handelt sich um die heute ständig zunehmende Tendenz, «dass man aus dem Gefüge des Glaubens der Kirche sich die Sachen heraussucht, die man als für heute noch vertretbar ansieht». Es ist dies eine der Kernfragen, zu der uns der Papst, wie wir sehen werden, sehr wertvolle Anregungen gegeben hat. Zwei Eckpunkte: an Gott und «gemeinsam mit der Kirche» glauben Benedikt XVI. stellte zwei Aspekte unseres Glaubens heraus, die für ihn entscheidend sind. «Einerseits: Glaube ist vor allen Dingen Glaube an Gott. Im Christentum geht es nicht um ein riesiges Gepäck von disparaten Sachen, sondern alles, was das Glau-bensbekenntnis sagt und was die Glaubensentwicklung entfaltet hat, ist doch nur da, um uns das Gesicht Gottes deutlicher zu machen. Er ist und er lebt; ihm glauben wir; ihm gegenüber, auf ihn hin, im Mitsein mit ihm und von ihm her leben wir. Und in Jesus Christus ist er sozusagen körperlich mit uns. Diese Zentralität Gottes muss, wie ich meine, in all unserem Denken und Tun ganz neu erscheinen. (...) Das ist das eine: dass der Glaube entscheidend wirklich auf Gott hinschaut und uns dadurch veran-lasst, selbst auf Gott hinschauen und auf ihn hin in Bewegung kommen.». Er wiederholte an dieser Stelle die am Anfang seiner ersten Enzyklika an uns gerich-tete Einladung, unseren Glauben durch den zentralen und tragenden Kern zu bele-ben: «Wir haben der Liebe geglaubt: So kann der Christ den Grundentscheid seines Lebens ausdrücken. Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt. In seinem Evangelium hatte Johannes dieses Ereignis mit den folgenden Wor-ten ausgedrückt: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hin-gab, damit jeder, der an ihn glaubt (...) das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Mit der Zent-ralität der Liebe hat der christliche Glaube aufgenommen, was innere Mitte von Isra-els Glauben war, und dieser Mitte zugleich eine neue Tiefe und Weite gegeben» (Deus caritas est, 1). Bei verschiedenen Gelegenheiten hob Papst Benedikt mit Nachdruck die Größe und Schönheit unseres Glaubens hervor, so zum Beispiel in einem Interview mit Radio Vatikan am Vorabend des Weltjugendtages von 2005, als er sagte: «Ich möchte den jungen Menschen zeigen, dass es schön ist, Christ zu sein! Es besteht ja weithin die Idee, Christentum sei eine Menge von Geboten und Verboten, Gesetzen, die man ein-halten muss und dergleichen und insofern etwas Mühseliges und Belastendes. Man sei freier, wenn man diese Last nicht habe. Ich möchte demgegenüber deutlich ma-chen: sozusagen von einer großen Liebe und Erkenntnis getragen zu sein, ist nicht etwa ein Gepäck, sondern sind Flügel». Der zweite vom Papst angesprochene Eckpunkt betrifft die Tatsache, «dass wir den Glauben nicht uns selbst ausdenken und zusammensetzen aus Stücken, die man „verkraften“ kann, sondern dass wir mitglauben mit der Kirche. Nicht alles können wir verstehen, was die Kirche lehrt, nicht alles muss in jedem Leben gegenwärtig sein. Aber wichtig ist doch, dass wir in dem großen Ich der Kirche, in ihrem lebendi-gen Wir, Mitglaubende sind und dadurch in der großen Gemeinschaft des Glaubens stehen, in jenem großen Subjekt, in dem wirklich das Du Gottes und das Ich der Menschen sich anrühren; (...) Diese volle Form des Glaubens, wie das Credo sie aus-drückt, des Glaubens in und mit der Kirche als lebendigem Subjekt, in dem der Herr wirkt, sollten wir versuchen, wirklich als Mitte unserer Aktivitäten hinzustellen» (Er-öffnungsansprache). Wohlbekannt ist die heute immer verbreitetere Praxis, anstelle des durch die Kirche weitergegebenen Glaubens einer selbstgemachten Weltanschauung den Vorzug zu geben, wo jeder wie aus einem À-la-carte-Menü auswählt, was ihm zusagt. Näher be-trachtet, beruht diese Haltung auf einem doppelten Irrtum: auf der Trennung zwi-schen Gott und Christus einerseits und zwischen Christus und der Kirche anderer-seits. Deswegen kann, wie der Katechismus der Katholischen Kirche mit einem be-rühmten Zitat des hl. Cyprian hervorhebt, im vollen Sinn «niemand Gott zum Vater haben, der die Kirche nicht zur Mutter hat» (Nr. 181). Der Glaube als feste Zustimmung, wie er als solcher von der Kirche vorgegeben ist, beruht nämlich auf der Gewissheit, dass die Kirche von Christus (dem Sohn des Va-ters) gegründet wurde, der durch das Wirken des Heiligen Geistes fortfährt, diese zu erhalten und zu leiten, damit alles, was Gott uns offenbaren wollte, uns durch die Jahrhunderte hindurch in seiner wesentlichen Gesamtheit erreicht. Man versteht so, warum der Glaube, obwohl er als freie Antwort des Menschen auf die Einladung Got-tes der individuellen Person eignet, «kein isolierter Akt ist. Niemand kann für sich allein glauben, wie auch niemand für sich allein leben kann. Niemand hat sich selbst den Glauben geben, wie auch niemand sich selbst das Leben gegeben hat» (Kate-chismus der Katholischen Kirche, 166). Der selbe Katechismus fügt hinzu: «Zunächst ist es die Kirche, die den Herrn überall bekennt, und mit ihr und in ihr kommen auch wir dazu, ebenfalls zu bekennen: „Ich glaube“,, „„wir glauben“. Durch die Kirche empfangen wir in der Taufe den Glauben und das neue Leben in Christus» (Nr. 168). Als Fazit kommt heraus: «Glauben ist ein kirchlicher Akt. Der Glaube der Kirche geht unserem Glauben voraus, zeugt, trägt und nährt ihn». (Nr. 181). Es ist leicht zu sehen, dass der Papst hier ein Thema berührt hat, das wahrhaft ent-scheidend ist für die heutige Sendung der Kirche. Darüber hinaus hat er uns einige Anregungen gegeben, um den Glauben zu stärken und neu zu entfachen. Wie der Glaube neu entfacht werden kann Angesichts der Gefahr des Aktivismus, der dazu neigt, den Glauben durch das Enga-gement in äußeren Aktivitäten zu ersetzten und diesen so von innen her auszuhöhlen, müssen wir uns laut Papst Benedikt vor allem bemühen, « im Hinhören auf den Herrn, im Beten, im inwendigen Mitsein bei den Sakramenten, in der Suche Gottes im Gesicht und im Leiden der Menschen seine Gesinnung zu erlernen, um von seiner Freude, von seinem Eifer, von seiner Liebe angesteckt zu werden und so mit ihm von ihm her die Welt anzublicken» (Predigt). Benedikt XVI. hat so den Zusammenhang von Glaube, Gebetsleben und sakramentalem Leben herausgestellt. Ich gehe hier nicht auf die Wichtigkeit und die Charakteristika des Gebets ein, da dieses Thema schon von Abt Mauro-Giuseppe Lepori behandelt wird. Der Glaube, von dem der Papst spricht, ist jedenfalls nicht etwas Theoretisches, Abs-traktes oder der Realität unsres Lebens Fernes. Gerade weil er auf Christus, das menschgewordene Wort,, zentriert ist, muss er unser Leben dergestalt verwandeln, dass wir angesteckt sind «von seiner Freude, von seinem Eifer, von seiner Liebe» und dazu geführt werden, «mit ihm und von ihm her die Welt anzublicken». Das wurde bereits von Johannes Paul II. in seiner Ansprache an die Jugendlichen anlässlich seiner Pastoralreise in die Schweiz im Jahr 1984 gut zum Ausdruck ge-bracht. Am 15. Juni definierte er in Einsiedeln den Glauben, wie er den Christen be-seelen sollte: Glaube bedeutet, «bis in die letzten Fasern eures Lebens hinein euch auf den lebendigen Gott selber einzulassen und euren Alltag von ihm her, mit ihm und auf ihn hin zu leben». Auch in der vor dem Schweizer Klerus am gleichen Tag gehal-tenen Ansprache bekräftigte er, dass «der Glaube von vorrangiger Wichtigkeit ist», um die «Herausforderung der Verweltlichung und der Gleichgültigkeit anzunehmen. (...) Je mehr die Welt ent-christlicht wird, umso mehr tut es ihr not, in der Person des Priesters diesen radikalen Glauben wahrzunehmen, der wie ein Leuchtturm in der Nacht oder wie der Fels ist, auf den er sich stützt». Im Hinblick auf die «Neubelebung» unseres Glaubens hat Papst Benedikt bestimmte seiner Merkmale in Erinnerung gerufen: Der Glaube ermöglicht es uns, die Größe der Liebe Gottes wahrzunehmen; er ist tätig und missionarisch. Der Glaube ermöglicht es uns, die Größe der Liebe Gottes wahrzuneh-men Benedikt XVI. knüpfte in seiner Predigt an das Gleichnis an, das von der Einladung zum Gastmahl und der Absage der zuerst Geladenen handelt. Gott «scheitert» nicht, bemerkte er dazu. Nach dem Gleichnis scheint Gott vordergründig in der Heilsge-schichte in Adam und Eva «gescheitert» zu sein, aber mit Jesus bringt er «den Men-schen wirklich dazu, die Knie zu beugen, und überwindet so die Welt mit seiner Lie-be. (...) Die schöpferische Kraft seiner Liebe ist größer als das menschliche Nein. Durch jedes menschliche Nein wird eine neue Dimension seiner Liebe entbunden, und er findet einen neuen, größeren Weg, sein Ja zum Menschen, seiner Geschichte und zur Schöpfung zu verwirklichen». Jesus identifiziert sich mit den Leidenden aller Zeiten und trägt den Schrei der Verlassenheit «hinauf ans Herz Gottes selbst und wandelt so die Welt um». Er sättigt die Menschen in der ganzen Welt, indem er ihnen jene Sättigung verschafft, die sie brauchen: Er gibt sich selber hin. Angesichts dieser Größe der Liebe Gottes erscheint die Ablehnung seitens der Men-schen noch überraschender. Der Papst hat in der westlichen Christenheit die neuen «Erstgeladenen» wiedererkannt, die die Einladung ablehnen, weil sie angeblich keine Zeit haben, um zum Herrn zu kommen. «Wir kennen die leer werdenden Kirchen, die leerer werdenden Seminare, die leerer werdenden Ordenshäuser; wir kennen alle die Formen, in denen dieses „„Nein, ich habe etwas Wichtigeres zu tun“ “ sich darstellt».. Zu den Gründen dieser Situation hat der Papst an Umstände und Faktoren erinnert, welche die Menschen zur Meinung verleiten, «nichts anderes mehr zu brauchen, dass ihre Zeit und damit ihre innere Existenz ganz ausgefüllt wird». Mit dem hl. Gregor dem Großen erklärte er die traurige Situation, in der sich viele Personen befinden: «Sie haben eben nie die Erfahrung Gottes gemacht, sind nie auf den Geschmack Got-tes gekommen; sie haben nie gespürt, wie köstlich es ist, von Gott angerührt zu wer-den! Diese „Berührung“ fehlt ihnen – und damit der „Geschmack an Gott“. Und nur wenn wir sozusagen schmecken, dann kommen wir auch zum Mahl». Wenn der Mensch ganz mit
den materiellen Dingen beschäftigt ist, mit dem, was er machen kann
und ihm Erfolg verspricht, dann wird er unfähig, das Göttliche zu
emp-fangen, «weil das entsprechende Organ in ihm vertrocknet ist»
(Predigt). Dieser Ver-lust des «Geschmacks an Gott» und dieses Verkümmern
des «Organs für Gott» er-klären zutiefst das Nachlassen des Glaubens.
Der Aufruf des Papstes, den Reichtum unseres Glaubens wiederzuentdecken,
der es uns ermöglicht, die Größe der Liebe Gottes zu empfangen, ist
darum angebrachter denn je, damit sich erfüllt, was der A-postel ersehnt:
«Durch den Glauben wohne Christus in eurem Herzen. In der Liebe verwurzelt
und auf sie gegründet, sollt ihr zusammen mit allen Heiligen dazu
fähig sein, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und
die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So
werdet ihr mehr und mehr von der gan-zen Fülle Gottes erfüllt» (Eph
3,17-19). Hier fügte der Papst ein beredtes Zeugnis an: «Wenn ich in den achtziger, neunziger Jahren nach Deutschland kam, wurde ich um Interviews gebeten, und ich wusste immer schon im voraus die Fragen. Es ging um Frauenordination, um Empfängnis-verhütung, um Abtreibung und um ähnliche Probleme, die ständig wiederkehren».. Und dann die deutliche Lehre, die Benedikt XVI. aus dieser Erfahrung zog: «Wenn wir uns einfangen lassen in diese Diskussionen, dann fixiert man die Kirche auf ein paar Ge- oder Verbote, wir stehen das als Moralisten mit ein paar etwas altmodischen Ansichten, und die eigentliche Größe des Glaubens erscheint gar nicht. Daher meine ich, diese Größe unseres Glaubens immer wieder herauszustellen, ist etwas ganz Grundlegendes, wovon wir uns durch solche Situationen nicht abbringen lassen dür-fen». Eine Lehre, die gerade für die Schweiz aktueller nicht sein könnte. Zum Schluss bekräftigt der Papst die Wichtigkeit der Wiederentdeckung der Größe des Glaubens, wenn er ermahnt, « Christentum nicht als bloßen Moralismus erschei-nen zu lassen, sondern als Gabe, in der sich uns die Liebe schenkt, die uns trägt und die uns dann die Kraft des Sich-Verlierens gibt; und andererseits in diesem großen Kontext der geschenkten Liebe dann auch zu den Konkretisationen schreiten, deren Grundlage uns immer noch der Dekalog anbietet, den wir mit Christus, mit der Kir-che in dieser Zeit weiterlesen und neu lesen müssen». Der wahre Glaube ist tätig Neben der Größe hat der Papst an einen anderen Aspekt des Glaubens erinnert: seine Wirkkraft, sein Sich-Zeigen in den Werken. Er bemerkte nämlich, dass wir «ihm ge-genüber, auf ihn hin, im Mitsein mit ihm und von ihm her leben. (...) Diese Zentrali-tät Gottes muss, wie ich meine, in all unserem Denken und Tun ganz neu erscheinen» (Eröffnungsansprache). Den gleichen Gedanken nahm der Papst bei verschiedenen Gelegenheiten wieder auf. So in der Predigt, in der er festhielt, dass es der Glaube sei, der «unser Wirken be-seelt». Vorher hatte er betont: «Das ist heute wichtig. Es gibt so viele Probleme, die man auflisten kann, die alle gelöst werden müssen, die aber alle nicht gelöst werden, wenn nicht im Zentrum Gott steht, neu sichtbar wird in der Welt, maßgebend ist in unserem Leben und durch uns auch maßgebend in die Welt hineintritt». Das Thema der Zentralität Gottes und folglich des Glaubens wurde in der Eröffnungsansprache aufgegriffen. Der Glaube «beseelt dann auch die Aktivitäten, die sonst leicht in Akti-vismus verfallen und leer werden können. Das ist das eine: dass der Glaube entschei-dend wirklich auf Gott hinschaut und uns auf Gott hinschauen, auf ihn hin in Bewe-gung kommen lässt». Das Thema der Beziehung zwischen Leben und Glauben ist aufs engste verbunden mit zwei anderen Fragestellungen, die Benedikt XVI. besonders am Herzen liegen: das Verhältnis zwischen dem historischen Jesus und dem Christus des Glaubens und das Verhältnis zwischen Vernunft und Glaube. Die tiefe Überzeugung des Papstes, dass in diesen Verhältnissen nicht nur keine Gegenüberstellung, sondern fruchtbare Ergänzung liegt, hat vielfältige, auch praktische Folgen, wie er in der Eröffnungsan-sprache aufgezeigt hat: «Das Konzil, Dei Verbum, hat uns gesagt, dass die historisch-kritische Methode eine wesentliche Dimension der Exegese ist, weil es zum Wesen des Glaubens gehört, dass er factum historicum ist. Wir glauben nicht einfach einer Idee; Christentum ist nicht eine Philosophie, sondern ein Ereignis, das Gott in diese Welt gestellt hat, eine Geschichte, die er real als Geschichte mit uns gestaltet hat und gestaltet. Deswegen muss das Historische in seinem Ernst und Anspruch wirklich auch in unserem Lesen der Bibel da sein: dass wir wirklich das Faktum und eben die-ses „Geschichte-Machende“ im Wirken Gottes erkennen». Der Gegensatz zwischen dem historischen Jesus und dem Christus des Glaubens ist von Bischof Giuseppe Betori scharfsinnig beschrieben worden als «eine der negativs-ten Hinterlassenschaften der Moderne, die nicht aufhört, auch heute ihre verderbli-chen Früchte hervorzubringen, sei es im Innern der Glaubenserfahrung, sei es im Dialog mit der zeitgenössischen Kultur. Gerade die Einheit zwischen der Ebene der Geschichte und jener des Glaubens ist hingegen das bestimmende Element der Au-thentizität des Glaubens auf der einen Seite und Kohärenzfaktor für eine Annähe-rung, die wirklich historisch sein möchte, wie der Heilige Vater uns fortwährend mit seinem Aufruf zur Ausweitung der Vernunft in Erinnerung ruft» (Artikel «Der auf eine Idee reduzierte Christus», in: Avvenire, 22. Februar 2007, S. 31). Der Glaube muss missionarisch sein Ein wichtiger Aspekt der Wirkkraft des Glaubens ist sein missionarischer Charakter. Ein voller und kohärenter Glaube kann nicht tatenlos bleiben und es unterlassen, ihn um uns herum zu verbreiten. Der Glaube ist wie jede Realität des christlichen Lebens eine Gabe und eine Aufgabe, eine Sendung. Der Glaube kann nicht in der Erde ver-graben werden, wie es jener Knecht im Gleichnis Jesu tut, dem ein Talent anvertraut wird. Der Glaube muss wachsen und sich entwickeln, in dem er aus unserem ganzen Leben einen Akt des Glaubens macht; er soll Frucht bringen im Dienst am Reich Got-tes. So lehrt es der Katechismus der Katholischen Kirche «Der Glaubende hat den Glauben von anderen empfangen; er muss ihn weitergeben. Unsere Liebe zu Jesus und den Menschen drängt uns, zu anderen von unserem Glauben zu sprechen. Jeder Glaubende ist so ein Glied in der großen Kette der Glaubenden. Ich kann nicht glau-ben, wenn ich nicht durch den Glauben anderer getragen bin, und ich trage durch meinen Glauben den Glauben anderer mit» (Nr. 166). Einer der hauptsächlichsten Aspekte der Sendung des Christen besteht darin, so zu leben, dass viele Getaufte von einem «Gewohnheitsglauben» oder einem oberflächlichen Glauben zu einem Glau-ben übergehen, der Ausdruck einer persönlichen, überdachten, überzeugten, enga-gierten und zeugnisgebenden Wahl ist. Dieses Thema ist für die Kirche in der Schweiz offensichtlich so aktuell wie noch nie. Es tut mit Worten Papst Benedikts in der Tat not, dass «uns die missionarische Ver-antwortung neu überkommen muss, dass, wenn wir selber des Glaubens froh sind, wir uns verpflichtet wissen, anderen davon zu reden. Gottes Sache ist es, wie weit die Menschen dann ihn annehmen können oder nicht» (Eröffnungsansprache). Wir alle – Priester, Laien und Ordensleute – sollten uns fragen, ob wir nicht eine Ab-schwächung des Glaubens zugelassen haben, so dass er zu einer eintönigen, müden, spießbürgerlichen Sache wurde, ohne Schwung und auf sich selbst zurückgezogen. Vielleicht ist unser Glaube auch ein bisschen «ritualistisch» geworden, losgelöst vom alltäglichen Leben, und nicht mehr jene freudige und engagierte persönliche Antwort auf die Liebe Gottes zu uns. Unser Umfeld ist oft gleichgültig, taub, dem Evangelium gegenüber teilnahmslos oder sogar feindselig eingestellt. Umso notwendiger ist es, die frohe Botschaft mit Kraft, Überzeugung und Freude zu bezeugen und zu verkün-den, denn es gibt kein schöneres und größeres Geschenk, das die Menschen besitzen können. * * * Benedikt XVI. hat uns Ziele gesetzt, er hat passende und präzise Mahnungen und Aufrufe an uns gerichtet, die aber nicht leicht zu erfüllen sind. Man könnte vielleicht denken, dass er zu viel verlangt, dass dies alles unsere Kräfte übersteigt. Vermutlich war sich der Papst selber dessen bewusst, als er am Schluss der Predigt den Heiligen Geist anrief und von ihm erbat, «dass er bewässert, dass er wärmt, dass er aufrichtet, dass er selbst mit der Kraft seiner heiligen Flammen uns durchdringt und die Welt erneuert». |